Sonntag, Januar 20, 2008

Der Bremerhavener Streit um den Umgang mit historischen Exponaten geht weiter - Wirtschaftsförderungsgesellschaft BIS im Gedrängel

Am vergangenen Freitag, dem 18. Januar 2008, griff der Lokalteil der Bremerhavener Nordsee-Zeitung das Naber-Thema zum allerersten Mal auf. Die Darstellung beschränkte sich merkwürdigerweise darauf, im wesentlichen die Aussagen einer Presseerklärung von Oberbürgermeister Jörg Schulz nachzuerzählen.

Über den Kern der Problematik war kein Wort zu lesen - nämlich über die Frage, ob es sinnvoll ist, dass eine privatisierte Gesellschaft auch über museale Objekte freihändig verfügen darf oder ob in solchen Fällen nicht der Sachverstand des Historischen Museums einbezogen werden muss.

Wegen der offensichtlich nicht besonders soliden Darstellung ließ die Reaktion des Historischen Museums nicht lange auf sich warten. Unter Androhung einer Klage wurde eine Richtigstellung verlangt, die am folgenden Tag in ziemlich merkwürdiger Form im Blatt auftauchte.

Statt wenigstens zu erwähnen, dass sich der Protest gegen die Darstellung in der Nordsee-Zeitung gerichtet hatte, wurde in der NZ so getan, als habe der Brief hauptsächlich eine Kritik am Sonntagsjournal enthalten.

Hier noch einmal ein paar Überlegungen zur Sache:

Nachdem die Übernahme des früheren Hotels Naber durch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft BIS offensichtlich reichlich unprofessionell und blauäugig abgewickelt wurde, bemühen sich die Verantwortlichen jetzt um Schadenbegrenzung. In einer Pressemitteilung des Magistrats versuchte Oberbürgermeister Jörg Schulz in der vergangenen Woche die Schuld auf Museumsdirektorin Dr. Anja Benscheidt abzuschieben, obwohl sie nur pflichtgemäß auf die Bewahrung wichtiger Exponate gedrängt hat.

Im Getümmel der Verdächtigungen droht der Kern der Diskussion aus dem Blick zu geraten - die Aufgabe des Historischen Museums, wichtige Gegenstände zur Bremerhavener Stadtgeschichte zu sammeln und auszustellen. "Naber war ein bedeutendes Hotel, das in Bremerhaven eine große Zeit hatte", nannte Dr. Benscheidt als Basis ihrer Aktivitäten und stellte schon zu Beginn der Diskussionen fest: "Da kann es doch nicht angehen, dass künftig einmal unsere Nachfolger wichtige Exponate für das Museum teuer kaufen müssen, weil sie jetzt einfach weggeben wurden."

Und genau um diesen Punkt geht es nach Auffassung kritischer Beobachter: Warum wurden Überbleibsel des traditionsreichen Hotelbetriebs weggeben, ohne vorher eine fachlich fundierte Aufstellung der vorhandenen Gegenstände anzufertigen? Wie kann sich der Geschäftsführer einer mehrheitlich städtischen Gesellschaft anmaßen, freihändig über solche Fragen zu entscheiden, ohne die fachliche Kompetenz des Historischen Museums zu nutzen?

In der Magistrats-Pressemitteilung wird auf diese Fragen nicht weiter eingegangen. Statt dessen äußert Schulz "Unverständnis über das Verhalten der Direktorin des Historischen Museums", der er eine "Alles-oder-nichts-Haltung" unterstellt. Der von Schulz erwähnte "unterschriftsreife Dauerleihvertrag mit der BIS" zur Übergabe des Inventars enthält eben nur einen Teil der als wichtig eingestuften Gegenstände, ohne dass der Verbleib der anderen Dinge bisher ausreichend geklärt wäre.

Dabei kann jeder wissen, dass es auch zu den Aufgaben des Historischen Museums gehört, Bilder mit Bezügen zu Bremerhaven zu sammeln, also auch Stiche vom Norddeutschen Lloyd und Gemälde von Paul Ernst Wilke. Warum wird dann seitens der BIS und des Oberbürgermeisters so getan, als ginge dies das Museum überhaupt nichts an? monieren Kritiker.

Dreh- und Angelpunkt ist die Frage nach einer Aufstellung aller Gegenstände, die bei der Übernahme des Hotels Naber durch die BIS in den Räumen noch vorhanden waren. Als ein Stadtrat in der letzten Magistratssitzung danach fragte, löste er nach Auskunft von Teilnehmern eine heftige verbale Reaktion Oberbürgermeisters aus. Dabei soll auch zur Sprache gekommen sein, wo denn beispielsweise die Champagner- und alten Bordeaux-Flaschen aus den Naber-Kellern geblieben sind - ein weiterer Hinweis auf selbstverschuldete Grauzonen, für die sich möglicherweise das städtische Rechnungsprüfungsamt interessieren könnte.



DOKUMENTATION der Presseerklärung des Magisgrats vom 16. Januar 2008 zum Vergleich mit der Nordsee-Zeitung vom 18. Januar 2008:

Streit mit Museum um Hotelinventar: OB weist Vorwürfe gegen BIS zurück

In der Diskussion um das Inventar des ehemaligen Nordsee-Hotels hat Oberbürgermeister Jörg Schulz mit Nachdruck den Eindruck zurückgewiesen, dass Kunstwerke aus dem Hotelbestand möglicherweise auf strafbare Weise verschwunden seien.

Dieser Verdacht, so der OB, war in der Berichterstattung des Bremerhavener Sonntagsjournals zum Streit zwischen der städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft BIS und dem Historischen Museum über die Einrichtungsgegenstände des Hotels geweckt worden. Dazu Schulz: „Ein solcher Vorwurf ist bösartig und geeignet, den Ruf der BIS zu schädigen. Dagegen verwahre ich mich als deren Aufsichtsratsvorsitzender aufs Schärfste.“ Aus seiner Sicht gebe es „nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür, dass es bei der Verwaltung des Hotelinventars durch die BIS unkorrekt und rechtswidrig zugegangen sein könnte“. BIS-Geschäftsführer Hennig Goes habe sich „persönlich und sachlich vollkommen korrekt verhalten“.

In der heutigen Magistratssitzung (Mittwoch, 16. 1.) äußerte der OB sein Unverständnis über das Verhalten der Direktorin des Historischen Museums, Dr. Anja Benscheidt, die laut Sonntagsjournal öffentlich von der BIS verlange, dem Museum alle Kunstwerke aus dem früheren Hotel zu übergeben. Eine solche „Alles-oder-nichts-Haltung“, so Schulz, führe nicht zu einer „sachlichen und zielführenden Diskussion“ über die Frage, welche stadthistorisch bedeutenden Hotel-Exponate im Museum ausgestellt werden könnten.

Hierzu liege dem Museum bereits seit Ende November ein unterschriftsreifer Dauerleihvertrag mit der BIS vor, der die Inventarübergabe regeln solle. Zuvor hatten die Stadt Bremerhaven und das Land Bremen als Gesellschafter die Geschäftsführung der BIS angewiesen, die historisch wertvollen Exponate dem Museum als Dauerleihgabe bereitzustellen. Eine solche förmliche Anweisung an die Gesellschaft, so der OB, sei vor allem aus steuerrechtlichen Gründen notwendig gewesen. Im Übrigen habe BIS-Geschäftsführer Goes entgegen der Darstellung von Museumsdirektorin Benscheidt auf sämtliche Anfragen korrekt reagiert.

Wie Schulz zum Verbleib einiger Kunstwerke mitteilte, würden sie zum Teil aus Sicherheitsgründen in den Räumen der BIS verwahrt. Mehrere Gemälde habe die städtische Gesellschaft an den Magistrat zu Repräsentationszwecken ausgeliehen, andere hätten dem früheren Hoteleigentümer gehört und seien daher nicht an die BIS übergegangen. Der Oberbürgermeister: „Jetzt sehe ich keinen Hinderungsgrund mehr, den Streit zu beenden und den Dauerleihvertrag zwischen BIS und Museum abzuschließen.“

ENDE DER DOKUMENTATION

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Dienstag, Januar 15, 2008

Der Bremerhavener Stadtteil Lehe erweckt beim neuen katholischen Priester ein "Bronx-Gefühl" - ähnlich hatte es auch der Spiegel berichtet

Überraschenderweise bestätigt die Nordsee-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 15. Januar 2008 den kritischen Eindruck der Wochenzeitschrift "Der Spiegel" über den Bremerhavener Stadtteil Lehe. Während der "Spiegel" von einem "tristen Sozialghetto" gesprochen hatte, zitiert die Nordsee-Zeitung den neuen katholischen Priester mit der Bemerkung, er habe in Lehe "so ein Bronx-Gefühl".

Bei seinen ersten Besuchen in Lehe bekam er nicht nur einen Schrecken, "in welch drastischem Ton die Leute reden", sondern erlebte offensichtlich auch, wie sie "direkt neben mir eine Mülltonne anzünden". Diese Erfahrungen im spiegeligen "Sozialghetto" brachten ihn dann auf das " "Bronx-Gefühl" mitten in Lehe.

Gleichzeitig macht sich der Priester ganz ähnlich wie der Spiegel-Berichterstatter Sorgen, dass "all das schöne neu Gebaute für den Tourismus die Leute hier gar nicht erreicht" und "dass die sozial Schwächeren trotzdem abgehängt werden".

Wer das liest, bekommt den Eindruck, dass die Problematisierungen des "Spiegel" doch nicht so einfach von der Hand zu weisen sind, wie in den vergangenen Tagen häufiger behauptet wurde...

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Montag, Januar 14, 2008

Die "Spiegel"-Kritik an der Bremerhavener Strukturpolitik sollte trotz der offensichtlichen Fehler und Schwächen ernst genommen werden


Als die "Süddeutsche Zeitung" zum Jahreswechsel 2006 / 2007 Bremerhaven sehr einseitig und optimistisch unter der Überschrift "Aufstieg einer Windigen" als Erfolgsmodell darstellte, war die Kommunalpolitik begeistert und zitierte den Text allerorten. Als der "Spiegel" in seiner Ausgabe 2/2008 einseitig und pessimistisch unter der Überschrift "Dubai an der Nordsee" von einem "gewagten Rettungsplan im Armenhaus des Westens" sprach, wurde empört gemäkelt, leider ohne den Kern der Kritik auch nur zu erwähnen.

Selbstverständlich bietet der "Spiegel"-Text eine Reihe von Angriffspunkten, weil er die Negativpunkte teilweise drastisch überzeichnet.

Allerdings ist die Charakterisierung als "Armenhaus des Westens" nicht so einfach von der Hand zu weisen, weil hohe Arbeitslosigkeit, soziale Not und die größte Kinderarmut der Republik dafür Argumente liefern. Im Kern zielt die "Spiegel"-Kritik aber auf einen Punkt, der in Bremerhaven in der Vergangenheit mit allzu leichter Hand beiseite geschoben wurde - die von der großen Koalition unter Federführung des Oberbürgermeisters betriebene Strukturpolitik.

Der "Spiegel" sieht darin einen "verwegenen Plan" und spricht von der "riskanten Investition" einer bettelarmen Stadt in eine aufgeblähte Infrastruktur, die Millionen von Touristen anlocken soll. Angesichts der fast eine Milliarde Euro Schulden sei dies "ein gefährliches Experiment, eine fragwürdige Therapie voller Risiken und Nebenwirkungen", heißt es im "Spiegel".

Direkt angehängt werden die auch in Bremerhaven immer wieder diskutierten Fragen: "Kann der Aufschwung um jeden Preis gelingen, wenn zugleich Geld für soziale Projekte fehlt? Bleibt Bremerhaven trotz neuer Fassaden und Gebäude womöglich so tot wie viele Städte im Osten Deutschlands, die in den neunziger Jahren saniert wurden?" Garniert ist dies mit der genüsslichen Aufstellung der mit vielen hundert Millionen Euro an öffentlichen Mitteln finanzierten Bauaktivitäten in der Bremerhavener City.

"Die Stadt baut eine gewaltige Kulisse auf, hinter der die Armen bloß versteckt werden sollen", wird Wolf Hast, der Vorsitzende des Bremerhavener Topfes, im "Spiegel" zitiert. Und Eberhard Muras, der Chef des Diakonischen Werks, kommt mit der Bemerkung zu Wort: "Wie das neue Hotel wächst, so wächst auch die Kinderarmut in der Stadt." Oberbürgermeister Jörg Schulz sagte dem "Spiegel" gegenüber, er kämpfe "weit vor der Front" und muss sich dafür sagen lassen: "Eine freundliche Umschreibung dafür, dass der Stadt-Therapeut umstritten ist - seine Radikalkur geht manchem zu weit."

Und an einer anderen Stelle wird Schulz vom "Spiegel" mit der Bemerkung zitiert, es sei eine "Ressourcenverschwendung, in die alten Stadtteile Geld zu stecken - das könne sich Bremerhaven nicht mehr leisten". Auch diese Zuspitzung illustriert die kritische Position der Wochenzeitschrift: Es reicht nicht, auf glitzernde Fassaden und steigende Umsätze zu hoffen, wenn zu wenig Menschen etwas davon haben. Ähnliches gilt laut "Spiegel" auch für den boomenden Überseehafen: "Die Globalisierung treibt den Hafen seit Jahren an, sorgt ständig für Rekorde. Qualifizierte Jobs springen freilich kaum dabei heraus."

Klar: Was der "Spiegel" in seinem jüngsten Bremerhaven-Bericht zustande gebracht hat, ist kein Muster von Ausgewogenheit. Das war aber der Bericht der Süddeutschen Zeitung über den Aufstieg Bremerhavens durch die Windenergie auch nicht. Trotzdem wurde der eine Text lebhaft beklatscht, während die Aussagen des anderen nicht einmal zur Kenntnis genommen werden.

Solche Tricksereien legen den Verdacht nahe, dass Lobhudeleien liebend gerne entgegengenommen werden, während man vor Hinweisen auf Gefahrenpunkte die Augen verschließen möchte.

Aber bekanntlich hilft das Verschließen der Augen nicht einmal Kindern, wenn sie in Nöte geraten sind - geschweige denn Politikern.

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Mittwoch, Januar 09, 2008

"Der Spiegel" berichtet in seiner neuen Ausgabe unter der Überschrift "Dubai an der Nordsee" über die Lage Bremerhavens

In seiner Ausgabe vom 7. Januar 2008 berichtet die Wochenzeitschrift "Der Spiegel" mit ätzender Kritik über den "gewagten Plan", der für Bremerhaven als "das Armenhaus des Westens" die Rettung bringen soll - den viele hundert Millionen Euro teuren Aufbau touristischer Welten in der Innenstadt.

Die Zeitschrift spricht von einer "riskanten Investition" und einem "gefährlichen Experiment" angesichts der sozialen Probleme und der Milliardenverschuldung Bremerhavens. Es handle sich um "eine fragwürdige Therapie voller Risiken und Nebenwirkungen".

"Die Stadt baut eine gewaltige Kulisse auf, hinter der die Armen bloß versteckt werden sollen", wird Wolf Hast, der Vorsitzende des Bremerhavener Topfs, zitiert. Und Eberhard Muras, der Chef des Diakonischen Werks, kommt mit dem Satz zu Wort "Wie das neue Hotel wächst, so wächst auch die Kinderarmut in der Stadt."

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