Dienstag, Januar 18, 2005

Bürokraten-Zeugnisse

Von anderen Menschen Leistungen verlangen und selbst nicht viel auf der Pfanne haben - das gehört zum altbekannten Bild eines peinlichen Spießers. Jeder kennt solche Geschichten, beispielsweise von dem Handwerksmeister, der nur Auszubildende mit tadellosen Realschulzeugnissen einstellt, aber selbst nicht in der Lage ist, einen Brief auch nur halbwegs fehlerfrei zu Papier zu bringen.

Die Bremer Bildungsbehörde scheint auf ähnlichen Pfaden herum zu stolpern, wenn man die von ihren Mitarbeitern entworfenen Beispiel-Zeugnisse für die 4. Klassen des Landes betrachtet. Am Beispiel einer ausgedachten "Claudia Muster" soll den Lehrerinnen und Lehrnachhinein der amtlichen Hilfestellung vorgeführt werden, wie sie gefälligst zu arbeiten haben. Und dann kommt's: Mehr als 20 Grammatik-, Tipp- und Rechtschreibfehler sind auf den paar Seiten zu finden - von "resprektiert" über "Wörder", "gut lesebar" und "Fragestelungen" bis zu "Werstoffen" und klein geschriebenen "herbstferien".

Man ahnt, wie solche luschigen Bildungsbürokraten im umgekehrten Fall über die Lehrerinnen und Lehrer herfallen würde. Aber die hätten angesichts ihrer noch weiter gewachsenen Belastungen durch bürokratische Auflagen sicherlich inzwischen Gründe genug, Flüchtigkeitsfehler zu machen. Schließlich ist es keine Kleinigkeit, für jedes einzelne der 25 oder 30 Kinder einer Klasse ausführliche Beschreibungen über deren Arbeits- und Sozialverhalten sowie über die Leistungen in mehr als einem halben Dutzend Unterrichtsfächer anzufertigen.

Besonders peinlich ist, dass ein solch fehlerhaftes Schreiben innerhalb einer Behörde weitergereicht wird, ohne dass irgendjemand zwischendurch überhaupt noch darin liest. Auch bei den Bremerhavener Bildungsexperten scheint niemand etwas gemerkt zu haben, denn das vermurkste Musterbeispiel machte unangefochten seinen Weg bis ans Ziel - anscheindend ganz nach dem Motto "Arbeiten können die anderen, denn wir selbst haben ohnehin schon genug zu tun".

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