Donnerstag, März 20, 2014

"Grüner Mumpitz" oder Dämlichkeit konventioneller Journalisten? - Klimaschutzgesetz-Entwurf sorgt für journalistische Wirrnisse...

Seestadtpresse Bremerhaven - Am Nachmittag des 19. März 2014 kam vom Bremer Senat eine knappe Pressemitteilung unter der Überschrift: "Unnötige Aufregung über geplantes Klimaschutzgesetz. Elektroheizungen bereits seit 1991 verboten – Überwachungsregeln sind ebenfalls heute schon Gesetz". 

Merkwürdig. Darüber spricht doch der Haudruff der Nordsee-Zeitung in der Ausgabe vom 19. März 2014 ganz anderen Klartext:

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Auch der Weser-Kurier ist in seiner Ausgabe vom 19. März 2014 nicht besonders zurückhaltend: "Senator plant Verbot von Elektroheizungen", heißt es groß im Aufmacher des Lokalteils, und in einem Kommentar unter der Überschrift "Schrill im Quadrat" wird in starken Worten kritisiert, dass der grüne Senator "behördliche Kontrollettis" berechtigen will, "bei der Überwachung der Klimaregeln die 'Wohnungen zu betreten'".

Und folglich endet der Weser-Kurier-Kommentar so: "'Die Wohnung ist unverletzlich', heißt es im Grundgesetz. Ein Bremer Umweltsenator wagt, dies anzutasten? Grüner Mumpitz." (Hervorhebung EZ)

So ist es wohl: Konventionelle und reaktionäre Journalisten lieben die Grünen eben auf ganz besondere Weise. Falls deren (früher stärker verbreiteter) Moralismus noch einmal irgendwo aufzuflackern scheint, können sie nach Lust und Laune draufhauen.

Manchmal scheinen sie allerdings heftig daneben zu greifen, falls die Pressemitteilung des Senats die Tatsachen richtig darstellt.

Und noch etwas: Am Folgetag tauchte die Presseerklärung des Senats mit den Richtigstellungen im Weser-Kurier nur verschämt und in der Nordsee-Zeitung gar nicht auf.

Zur Information folgt hier der Text der Presseerklärung des Senats:"Das Verbot des Neuanschlusses von Elektroheizung ist nicht etwa neu geplant, sondern es besteht in Bremen bereits seit dem Jahr 1991. Das stellt der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr zur aktuellen Berichterstattung über das geplante Klimaschutzgesetz klar. Das Verbot wurde aus dem heute geltenden Bremischen Energiegesetz in den Entwurf zum neuen Klimaschutz- und Energiegesetz übernommen. In dem Entwurf werden lediglich Ausnahmen zum Beispiel für Passivhäuser konkretisiert und der Vollzug vereinfacht.

Auch die kritisierten Regelungen zur behördlichen Überwachung gelten bereits heute. Sie sind wortgleich in dem derzeit geltenden Bremischen Energie Gesetz übernommen worden. Eine entsprechende Regelung steht auch in der gültigen Landesbauordnung (§ 58) und im Erneuerbare Energien Wärmegesetz des Bundes. Das Bundesland Bremen ist verpflichtet, Bundesgesetze zu vollziehen und deren Einhaltung zu überwachen."

Auf welcher politischen Linie die beiden Lokalzeitungen hier agieren, zeigt sich in einer Presseerklärung der FDP vom gleichen Tag. Es folgt der FDP-Text im Originalton:

"FDP: Besserwisserisches Vorschreiben bringt Klimaschutz nicht voran
Bremen: Harsche Kritik übte der Bremer FDP-Landesvorsitzende, Prof. Dr. Hauke Hilz am Vorstoß von Umweltsenator Lohse zu einem Energie- und Klimaschutzgesetz: „Der notwendige Klimaschutz wird sich nur realisieren lassen mit den Bürgerinnen und Bürgern. Besserwisserisches Vorschreiben vermeintlich richtiger Ideen, bringt Klimaschutz nicht voran und hilft auch nicht die Akzeptanz der Energiewende zu verbessern.“
Dass dazu noch ein System der Überwachung geplant ist, bringt den Liberalen Landeschef auf die Palme: „Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass Grüne Moralapostel Grundrechte wie die Unverletzlichkeit der Wohnung einschränken, um den Menschen vorzuschreiben, wie sie zu leben haben.“ 

Die Liberalen fordern den Senator auf, seinen Gesetzentwurf zurückzuziehen. „ Herr Lohse sollte nicht weiter versuchen die Ideen seiner Verbotspartei als bremisches Recht durchzudrücken“, so Hilz. Welche Techniken sich beispielsweise zum Heizen durchsetzen, sollte nach Ansicht der Liberalen dem Markt überlassen werden. Hilz: „Die Menschen entscheiden bei Heiztechnik und energetischer Sanierung nach wirtschaftlichen Überlegungen. Beratung, Treibhausgashandel und Förderung sind die richtigen Instrumente. Verbote nicht.“ (Hervorhebungen EZ).

Man sieht sehr schön: Es gibt politische Reflexe, die immer noch sehr schön funktionieren. Mit Journalismus hat das allerdings nicht allzu viel zu tun...

Im Weser-Kurier wird in der heutigen Ausgabe (20. März 2014) das Thema zwar aufgegriffen, aber ohne irgendeine Art der Selbstkritik.
Die Richtigstellung des Senats findet sich mitten in einem Text, in dem vorher und hinterher die alten Vorwürfe erneut zitiert werden (aus einer Stellungnahme der CDU sowie der hier zitierten FDP-Pressemitteilung).
 
Und die Nordsee-Zeitung setzt heute (20. März 2014) sogar noch einen drauf.

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Im Text werden nur die kritischen Stellungnahmen von CDU und FDP mitgeteilt. Von der Stellungnahme des Senats fehlt jede Spur!