Donnerstag, September 02, 2010

Ist jegliche Kritik an der israelischen Politik antisemitisch? - Blindwütige Verteidiger beschädigen Israels Position stärker als dies die Kritiker je könnten...

Seestadtpresse Bremerhaven - Es gibt bedenkenlose und blindwütige Verteidiger der israelischen Politik, die gelegentlich auch in der Lokalpresse zu Wort kommen.

Sie verfahren nach dem simplen Muster, jegliche kritische Äußerung gegenüber Israel als antisemitisch einzustufen.

- Protestiert jemand wegen der israelischen Politik gegenüber der Bevölkerung in Gaza, dann sehen die bedenkenlosen Israel-Verteidiger darin den Versuch, Israel zu delegitimieren. Das gilt ihnen als antisemitisch.

- Zeigt jemand, dass er einen israelischen Politiker wegen seiner politischen Haltungen für höchst kritikwürdig hält, dann erweist er sich als Antisemit.

- Fordert jemand, dass die Hamas, die in Gaza immerhin in demokratischen Wahlen mit Mehrheit gewählt worden ist, wenigstens in Verhandlungen einzubeziehen ist, dann legt dies nichts als seine antisemitische Einstellung offen.

- Charakterisiert jemand den Zionismus als eine zwiespältige politische Bewegung, die auch äußerst negative Facetten aufweist, dann steckt dahinter klar erkennbar Antisemitismus.

Stellt jemand fest, dass in einer Kommune kein Geld für die Bezuschussung des Baus einer Synagoge vorhanden ist, dann ist das eine klare Wende in den Antisemitismus.

- Argumentiert jemand antiimperialistisch und antimilitaristisch, dann segelt dieser Mensch im Fahrwasser der Israel-Feindschaft und damit des Antisemitismus.

Diese Liste voller unsinniger Behauptungen lässt sich ohne große Probleme fortsetzen. 

Aus all dem ergibt sich die Frage, ob es nach dieser Auffassung überhaupt irgendeine kritische Äußerung gegenüber der israelischen Politik geben kann, die nicht als antisemitisch einzustufen ist.

Handelt es sich also auch um schlimmsten Antisemitismus,

- wenn jemand die schlichte Tatsache äußert, dass die israelische Siedlerbewegung nach internationalem Recht illegal ist?

- wenn jemand den religiös motivierten Siedler-Extremismus kritisiert?

- wenn jemand Israel seine moralisch korrumpierende 43-jährige Besatzung vorhält?

- wenn jemand den israelischen Angriff auf die Free-Gaza-Flotilla als "blutige" Aktion mit kontraproduktiver Gewaltanwendung kennzeichnet?

- wenn jemand fürchtet, dass sich Israel zu einem Staat entwickelt, in dem ultraorthodoxe und ultranationalistische Kräfte immer mehr an Einfluss gewinnen?

- wenn jemand rechte israelische Politiker wegen ihrer rassistischen Äußerungen gegenüber Arabern kritisiert?

Äußerungen dieser Art lassen sich beispielsweise bei Roger Cohen in einem nachdenklichen Kommentar in der New York Times vom 10. Juni 2010 nachlesen. 

Steckt dahinter wirklich nichts als dumpfer Antisemitismus?

Oder bilden die blindwütigen Israel-Verteidiger möglicherweise eine größere Gefahr für Israel als diese Kritiker, weil diese Art der Verteidiger moralisch verwerfliche und politisch unhaltbare Einstellungen und Handlungen Israels stumpfsinnig rechtfertigen?

"Wenn ein Volk, das am eigenen Leib vor noch nicht langer Zeit unbeschreibbare Unmenschlichkeiten erfahren hat, nicht die moralische Vorstellungskraft aufbringen kann, um die Ungerechtigkeit und das Leiden zu verstehen, das seine territorialen Ambitionen und selbst seine legitimen Sicherheitsbelange bei einem anderen Volk verursacht, was für Hoffnung bleibt da für den Rest von uns?"

Das schreibt Professor Henry Siegman in der israelischen Tageszeitung Haaretz am 11. Juni 2010.

Aber der ist wahrscheinlich auch bloß ein Antisemit...

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