Mittwoch, August 17, 2005

Deutsches Auswandererhaus feierlich eröffnet


Mit etwas blassen Gesichtern und spürbarer Erleichterung konnten die Verantwortlichen am vergangenen Montag das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven erstmals einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren. "Wir haben einen Ritt auf der Rasierklinge hinter uns", sagte Oberbürgermeister Jörg Schulz vor den versammelten Journalisten.

Schulz unterstrich seine Auffassung, damit sei ein Stück Bremerhavener Stadtgeschichte sichtbar gemacht worden. Das Projekt passe gut zur Stadt und werde Bremerhaven als Ziel für den Städtetourismus noch attraktiver machen, lautete seine Bilanz. Gleich nach ihm kritisierte Bürgermeister Michael Teiser mit leicht gereiztem Ton, dass unter den Wegbereitern des 20-Millionen-Euro-Projekts häufig diejenigen zuerst erwähnt würden, die ohne eigene finanzielle Beiträge aktiv gewesen sind. Seiner Meinung nach steht aber an entscheidender Stelle die große Kraftanstrengung der Stadt Bremerhaven und des Landes Bremen. "Bremerhaven steht dafür gerade, dass sich das Projekt rechnet", betonte Teiser.

"Mordsmäßig gespannt" ist nach eigenen Worten die Direktorin des Auswandererhauses, Sabine Süß, auf die Entwicklung in den kommenden Monaten. "Wir werden hier sehr viel auf die Beine stellen", kündigte die studierte Publizistin und international erfahrene Managerin von Ausstellungen und Veranstaltungen an.

Während des abendlichen Festakts im Stadttheater, der ebenfalls am vergangenen Montag stattfand, lobte Oberbürgermeister Schulz das Auswandererhaus noch einmal in höchsten Tönen. "Unsere Stadt erhält eine Attraktion, die in ganz Europa ihresgleichen sucht", lautete seine Formulierung. Es sei "das größte Erlebnismuseum des Kontinents zum Thema Auswanderung".

Der direkt zur Feier eingeflogene Bundesinnenminister Otto Schily hob die vielfältigen kulturellen Brückenschläge sowie die großen Vorteile der weltweiten Wanderungsgewegungen für ein Exportland wie Deutschland hervor. Allerdings dürfe man die Schattenseiten der Migration nicht unerwähnt lassen, meinte er und kritisierte die "islamistische Ideologie des Hasses, der Menschenverachtung und der Zerstörung". Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven mache vielfältige Angebote zur Auseinandersetzung mit den Fragen der Migration und sei "eine großartige Einrichtung".

Als "lebendiges Denkmal für die Emigranten" stufte der amerikanische Gesandte Botschaftsrat John A. Cloud das Auswandererhaus ein und verlas eine Grußbotschaft des US-Präsidenten George W. Bush. Durch Vertreter des US-Staates Maryland und der Stadt Baltimore wurden die engen deutsch-amerikanischen Beziehungen unterstrichen. Wie andere Sprecher konnten auch sie auf familiäre Verbindungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland verweisen.

Mehrfach beschrieben wurde die Bedeutung des Deutschen Auswandererhauses für den Strukturwandel und neue Arbeitsplätze in Bremerhaven. Der Bremer Innensenator Thomas Röwekamp sprach vom "Teil einer Perlenkette, an der sich neue und bewährte Bremerhavener Attraktionen entlangreihen". Er sei stolz auf diesen weiteren Bremerhavener "Leuchtturm" und erwähnte ausdrücklich die große Kraftanstrengung, dieses Projekt in Zeiten schwierigster Haushaltslage zu realisieren. Die große Chance des Auswandererhauses bestehe darin, es zu einem Ort der Begegnung und Verständigung zu machen, meinte Röwekamp.

Während eines ersten Rundgangs durch die rund 2200 Quadratmeter großen Ausstellungsflächen des Deutschen Auswandererhauses fiel in erster Linie die Dramatik der Inszenierungen ins Auge. Insbesondere die Atmosphäre mit der großen Schar der Auswandererfiguren, die auf der Kaje zwischen allerlei Ladungsgut vor der riesigen schwarzen Schiffswand der "Lahn" warteten, beeindruckte die Besucher. Die vielfältigen Geräusche und das schummerige Licht verstärkten die Spannung an diesem entscheidenden Abschiedspunkt, auch wenn beispielsweise die Schiffswand bei näherer Betrachtung zwar wie Eisen aussah, aber ohne Zweifel aus leichteren Materialien nachmodelliert war.

Diese Beobachtung war auch in den Innenräumen zu machen, so dass im Radio-Bremen-Regionalmagazin "Buten un binnen" von einem etwas kitschig wirkenden Konzept des Mitfühlens und Miterlebens gesprochen wurde. Dagegen bleibt allerdings festzuhalten, dass die ausgeklügelten Illusionstechniken emotionale Wirkung erzeugen. Wer sich darauf einließ, konnte sich beim Gang über die Gangway entlang des leicht im Wasser schwankenden Schiffsrumpfs durchaus in die Gedankenwelten der vielen Millionen Auswanderer vergangener Zeiten einfühlen. Dies gilt ebenso für die Kabinen und Aufenthaltsräume, in denen die Lebensbedingungen der Menschen auf See so anschaulich wie möglich gemacht werden, wie für den Nachbau von Räumlichkeiten am Zielpunkt Ellis Island.

Tariert wird diese Art der inszenierten Welten etwa im Archivraum mit der Bibliothek, dem "Herzstück des Hauses", wie Andreas Heller betont, der für die Gesamtkonzeption und das Design verantwortlich zeichnet. Die Lebenswege von etwa 1000 Personen können hier gegenwärtig mit Hilfe unterschiedlicher Zugänge verfolgt werden. Biographien von Auswanderern können auch im "Raum der Nachfahren" unter die Lupe genommen werden. Nachdem die Besucher im opulent ausgestatteten Kino mit mehr als 100 Plätzen Auswanderer in Wort und Bild erlebt haben, endet ihr Rundgang im globalen Dorf mit Informationen über die Länder dieser Welt, einer Informationsstelle für potentielle Auswanderer von heute und Infopunkten zu Einzelfragen der Migrationsproblematik.

Ebenfalls im Auswandererhaus enthalten ist ein aufwendig eingerichteter Spielraum für Kinder. Hinzu kommen Seminarräume und ein Gastronomiebereich mit bis zu 140 Plätzen innen und 270 Plätzen außen. Das Deutsche Auswandererhaus ist ab sofort an allen Tagen des Jahres in der Zeit ab 10 Uhr geöffnet. Im Sommerhalbjahr schließt das Haus am Sonnabend um 19 Uhr und an den sechs übrigen Tagen um 18 Uhr. Weitere Informationen gibt es im Internet unter "www.dah-bremerhaven.de".

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