Bremerhaven: Maritime Großveranstaltung SAIL wird immer wieder gerne schön gerechnet - Kuriose Besucherzahlenakrobatik und argumentativer Eiertanz...
Seestadtpresse Bremerhaven - Die maritime Großveranstaltung SAIL ist vielen Menschen eine wirkliche Herzensangelegenheit und erfreut stets eine riesige Schar begeisterter Windjammer-Fans.
Um so erstaunlicher ist es, dass immer wieder mit kuriosen Zahlen hantiert wird, um die Kosten der Veranstaltung schön zu rechnen.
"Sail füllt die Kassen in Bremerhaven", meldete beispielsweise der Weser-Kurier (WK) am 23. August 2010 auf seiner Titelseite. Als Gesamtkosten der diesjährigen SAIL werden dort 1,9 Millionen Euro genannt, von denen knapp 1,1 Millionen Euro aus der Kasse des Landes Bremen kommen sollen.
Dagegen steht laut Darstellung im Weser-Kurier ein "deutliches Umsatzplus durch die eine Million Besucher". Urheber dieser Schätzung ist ein Sprecher des seit seiner Gründung mit öffentlichen Mitteln heftig unterstützten Vereins der Bremerhavener Innenstadtkaufleute namens "City Skipper".
Das genannte "Umsatzplus in der Region" durch die SAIL wird mit 4 Millionen Euro beziffert.
Um den Hintergrund zu beleuchten, wird aus der Senatsvorlage die Zahl von 324000 gewerbliche Übernachtungen in den Hotels genannt. Etwas später ist die Rede von zusätzlich "216000 Gästen, die privat untergebracht sind".
Das ist zunächst einmal ein Beispiel für das beliebte Verwirrmuster, ständig zwischen "Übernachtungen" und "Gästen" hin und her zu hüpfen. Die Zahl der Gäste ist bei korrekter Berechnung stets geringer als die Zahl der Übernachtungen, da manche Gäste bekanntlich mehrere Tage bleiben. Gern genannt werden übrigens auch "Ankunftszahlen", weil darin zusätzlich zu den Übernachtungsgästen auch noch die Tagesgäste enthalten sind.
Im Übrigen dürfte klar sein, dass sich die genannte (erhoffte) Zahl von 324000 gewerblichen Übernachtungen selbstverständlich nicht allein auf die SAIL bezieht, sondern nur für das ganze Jahr 2010 gelten kann.
Ein Hinweis: Die IHK nennt in ihrem Statistischen Jahresbericht für das Jahr 2009 eine Gesamtzahl von 299.686 Übernachtungen in Bremerhaven.
WK-Leserinnen und -Leser finden dann eine weitere interessante Zahlenangabe. BIS-Chef Volker Kölling schätzt, jeder "Übernachtungsgast" lasse bei der SAIL 90 Euro, die in irgendeiner (privaten) Kasse der Region landen sollen.
Schon eine überschlägige Rechnung sollte zeigen, dass da irgendetwas nicht stimmen kann.Denn selbst wenn nur 100000 Übernachtungsgäste zusätzlich zur SAIL kämen und jeder von ihnen 90 Euro in der Stadt ließe, bedeutete das Mehrumsätze von 9 Millionen Euro. Hinzu kommen die vielen 100000 Tagesgäste, die im Schnitt laut WK "auf jeden Fall um die 50 Euro" ausgeben sollen.
Bei überschlägiger Rechnung wären das (bei einmal angenommenen 700000 Tagesgästen) weitere 35 Millionen Euro an zusätzlichen Umsätzen.
Warum kommen dann die sicherlich nicht besonders pessimistischen City-Skipper-Schätzungen auf gerade einmal 4 Millionen Euro zusätzlicher Umsätze?
BIS-Chef Kölling zeigt sich angesichts dieses Zahlen-Durcheinanders gleichwohl optimistisch, "dass der volkswirtschaftliche Effekt den Zuschuss bei Weitem übertreffen wird".
Das ist wieder ein Begriff, der gern ins Feld geführt wird - vermutlich weil er mit nichts als Schätzungen und Annahmen gefüllt werden muss und nie konkret zu ermitteln ist.
Auffällig ist, dass all diese Pseudo-Berechnungen immer nur in den Vorlagen zur Bewilligung der öffentlichen Zuschüsse eine Rolle spielen. In der öffentlichen Berichterstattung ist davon nur sehr selten die Rede.
Von einer kritischen Überprüfung der Zahlen ist in der öffentlichen Berichterstattung noch seltener die Rede.
Weitere Anmerkung: Vor fünf Jahren ergab die Gästebefragung durch die Firma ITF Research, dass jeder SAIL-Besucher 21,40 Euro ausgegeben hat. Bei seinerzeit veranschlagten 1,7 Millionen Besuchern wären das rund 36 Millionen Euro, die in die Kassen auf dem Festgelände geklimpert sein müssten, berichtete das Bremerhavener Sonntagsjournal am 18. September 2005.
Das ITF nannte 2005 einen Umsatz von rund 50 Millionen Euro durch den Tourismus in Bremerhaven. Das entsprach laut ITF einem Beschäftigten-Äquivalent von 889 Arbeitskräften über das Jahr und einem Steueraufkommen von 1,25 Millionen Euro.
Wird diese Messlatte angelegt, dann könnte die diesjährige SAIL mit ihren geschätzten vier Millionen Euro an zusätzlichen Umsätzen also für die öffentlichen Kassen bestenfalls 100000 Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen bringen - nicht allzu viel bei einem öffentlichen Zuschuss von knapp 1,1 Millionen Euro.
Wer zu dieser etwas unübersichtlichen Zahlenakrobatik rund um die SAIL Erhellendes beisteuern kann, ist herzlich eingeladen, die Kommentierungsmöglichkeit dieses Blogs zu nutzen.
Um so erstaunlicher ist es, dass immer wieder mit kuriosen Zahlen hantiert wird, um die Kosten der Veranstaltung schön zu rechnen.
"Sail füllt die Kassen in Bremerhaven", meldete beispielsweise der Weser-Kurier (WK) am 23. August 2010 auf seiner Titelseite. Als Gesamtkosten der diesjährigen SAIL werden dort 1,9 Millionen Euro genannt, von denen knapp 1,1 Millionen Euro aus der Kasse des Landes Bremen kommen sollen.
Dagegen steht laut Darstellung im Weser-Kurier ein "deutliches Umsatzplus durch die eine Million Besucher". Urheber dieser Schätzung ist ein Sprecher des seit seiner Gründung mit öffentlichen Mitteln heftig unterstützten Vereins der Bremerhavener Innenstadtkaufleute namens "City Skipper".
Das genannte "Umsatzplus in der Region" durch die SAIL wird mit 4 Millionen Euro beziffert.
Um den Hintergrund zu beleuchten, wird aus der Senatsvorlage die Zahl von 324000 gewerbliche Übernachtungen in den Hotels genannt. Etwas später ist die Rede von zusätzlich "216000 Gästen, die privat untergebracht sind".
Das ist zunächst einmal ein Beispiel für das beliebte Verwirrmuster, ständig zwischen "Übernachtungen" und "Gästen" hin und her zu hüpfen. Die Zahl der Gäste ist bei korrekter Berechnung stets geringer als die Zahl der Übernachtungen, da manche Gäste bekanntlich mehrere Tage bleiben. Gern genannt werden übrigens auch "Ankunftszahlen", weil darin zusätzlich zu den Übernachtungsgästen auch noch die Tagesgäste enthalten sind.
Im Übrigen dürfte klar sein, dass sich die genannte (erhoffte) Zahl von 324000 gewerblichen Übernachtungen selbstverständlich nicht allein auf die SAIL bezieht, sondern nur für das ganze Jahr 2010 gelten kann.
Ein Hinweis: Die IHK nennt in ihrem Statistischen Jahresbericht für das Jahr 2009 eine Gesamtzahl von 299.686 Übernachtungen in Bremerhaven.
WK-Leserinnen und -Leser finden dann eine weitere interessante Zahlenangabe. BIS-Chef Volker Kölling schätzt, jeder "Übernachtungsgast" lasse bei der SAIL 90 Euro, die in irgendeiner (privaten) Kasse der Region landen sollen.
Schon eine überschlägige Rechnung sollte zeigen, dass da irgendetwas nicht stimmen kann.Denn selbst wenn nur 100000 Übernachtungsgäste zusätzlich zur SAIL kämen und jeder von ihnen 90 Euro in der Stadt ließe, bedeutete das Mehrumsätze von 9 Millionen Euro. Hinzu kommen die vielen 100000 Tagesgäste, die im Schnitt laut WK "auf jeden Fall um die 50 Euro" ausgeben sollen.
Bei überschlägiger Rechnung wären das (bei einmal angenommenen 700000 Tagesgästen) weitere 35 Millionen Euro an zusätzlichen Umsätzen.
Warum kommen dann die sicherlich nicht besonders pessimistischen City-Skipper-Schätzungen auf gerade einmal 4 Millionen Euro zusätzlicher Umsätze?
BIS-Chef Kölling zeigt sich angesichts dieses Zahlen-Durcheinanders gleichwohl optimistisch, "dass der volkswirtschaftliche Effekt den Zuschuss bei Weitem übertreffen wird".
Das ist wieder ein Begriff, der gern ins Feld geführt wird - vermutlich weil er mit nichts als Schätzungen und Annahmen gefüllt werden muss und nie konkret zu ermitteln ist.
Auffällig ist, dass all diese Pseudo-Berechnungen immer nur in den Vorlagen zur Bewilligung der öffentlichen Zuschüsse eine Rolle spielen. In der öffentlichen Berichterstattung ist davon nur sehr selten die Rede.
Von einer kritischen Überprüfung der Zahlen ist in der öffentlichen Berichterstattung noch seltener die Rede.
Weitere Anmerkung: Vor fünf Jahren ergab die Gästebefragung durch die Firma ITF Research, dass jeder SAIL-Besucher 21,40 Euro ausgegeben hat. Bei seinerzeit veranschlagten 1,7 Millionen Besuchern wären das rund 36 Millionen Euro, die in die Kassen auf dem Festgelände geklimpert sein müssten, berichtete das Bremerhavener Sonntagsjournal am 18. September 2005.
Das ITF nannte 2005 einen Umsatz von rund 50 Millionen Euro durch den Tourismus in Bremerhaven. Das entsprach laut ITF einem Beschäftigten-Äquivalent von 889 Arbeitskräften über das Jahr und einem Steueraufkommen von 1,25 Millionen Euro.
Wird diese Messlatte angelegt, dann könnte die diesjährige SAIL mit ihren geschätzten vier Millionen Euro an zusätzlichen Umsätzen also für die öffentlichen Kassen bestenfalls 100000 Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen bringen - nicht allzu viel bei einem öffentlichen Zuschuss von knapp 1,1 Millionen Euro.
Wer zu dieser etwas unübersichtlichen Zahlenakrobatik rund um die SAIL Erhellendes beisteuern kann, ist herzlich eingeladen, die Kommentierungsmöglichkeit dieses Blogs zu nutzen.
Labels: Bremerhaven, maritime Großveranstaltung, Sail 2010