Neues Buch über Auswanderung von Simone Blaschka-Eick aus dem Deutschen Auswandererhaus - Ein paar erste Anmerkungen...
Hier einige erste Beobachtungen und Überlegungen etwa nach dem ersten Drittel der Buchlektüre.
Die Ankündigung im Klappentext stimmt den Ton der Darstellung in dem sehr schön und solide gemachten Buch an: "Wussten Sie, dass der 'Mythos Amerika' von einem deutschen Vikar erfunden wurde, der vor über dreihundert Jahren unter Pseudonym ein Buch über das 'gelobte Land' schrieb, ohne jemals dort gewesen zu sein?"
Es geht Simone Blaschka Eick erkennbar um eine populäre und leicht lesbare Darstellung zum Auswandererthema, genau wie dies im Deutschen Auswandererhaus auch gemacht wird. In erster Linie geht es um bunte und pralle Geschichten von Menschen; die Frage struktureller Zusammenhänge und Entwicklungen muss dahinter zurück stehen.
Ein solcher Ansatz hat die positive Folge, dass Entwicklungen am Beispiel einiger handelnder Personen übersichtlich gemacht werden und eine innere Logik auf der Hand zu liegen scheint. Der Text kann flüssig gestaltet werden und erhält durch Illustrationen zusätzliche Anschaulichkeit.
Der Nachteil: Es fehlen präzise Anmerkungen, die Belege für die Darstellung nennen. Zwar fügt die Autorin am Ende des Buchs für jedes Kapitel ein paar Hinweise zu den verwendeten Quellen an, aber manches bleibt so doch offen.
Ein Beispiel: Simone Blaschka-Eick schreibt auf Seite 57: "Konrad Weise junior stockte mitten in der Übersetzung und überlegte: Sollte er die vom Irokesenhäuptling Tiyanoga ausgesprochene Beleidigung an die Engländer und Amerikaner weitergeben, oder sollte er sie besser verschweigen?" Ist diese Darstellung ebenso wie der folgende Gedankengang Konrad Weises, der während der Versammlung noch einmal "in Sekundenschnelle" sein bisheriges Leben an sich vorbeiziehen ließ, allein das Ergebnis einer lebhaften Phantasie der Buchautorin, oder gibt es wirklich Quellen, die diese mitten aus dem Leben gegriffene Darstellung einer Situation mitten "im Beratungssaal des Rathauses von Albany" präzise belegen?
Interessant ist übrigens auch die Beobachtung, dass die Streitigkeiten zwischen dem Deutschen Auswandererhaus und dem Historischen Museum Bremerhaven offensichtlich auch auf diesem quasiwissenschaftlichen Feld ausgetragen werden sollen. So wird die im Historischen Museum erstellte Deutsche Auswanderer-Datenbank in dem Buch auf Seite 213 nicht einmal erwähnt, wenn es um Recherchemöglichkeiten im Internet zur Geschichte der deutschen Auswanderung in die USA geht.
Falls es von Interesse sein sollte, werden die Anmerkungen über das Buch von Simone Blaschka-Eick fortgesetzt.
Nachtrag vom 20. November 2010: Auch im Deutschlandradio wird über das Buch berichtet. Ein Auszug aus dem Manuskript, das hier nachzulesen ist: Simone Eick habe an ausgewählten individuellen Schicksalen deutlich gemacht, was die Deutschen nach Amerika trieb und welche Möglichkeiten sich für die Wanderer in die neue Welt boten.
Und weiter: "Ihr Buch über die deutschen Migranten ist dennoch eher überblickend-enzyklopädisch geschrieben und erinnert mit vielen Abbildungen und Quellenauszügen an einen Begleitband für die Dauerausstellung im Deutschen Auswandererhaus. Das neue Standardwerk, wie vom Verlag vollmundig angekündigt, ist diese kurzweilig zu lesende Geschichte der deutschen Auswanderungsbewegungen allerdings nicht. Dazu fehlt es vor allem an analytischer Schärfe und Systematik, ganz zu schweigen vom Raum für eine breite, quellengestützte Darstellung einer mehr als 300 Jahre währenden Geschichte." (Hervorhebung DK)
Nachtrag 26. November 2010: Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung zeigte sich mit Datum 18. November 2010 wenig erquickt:
"Es ist zum Auswandern", lautete die Überschrift der kleinen Anmerkung. Und weiter: "In einer populär gehaltenen Darstellung folgt Simone Blaschka-Eick über drei Jahrhunderte den Lebenswegen von Deutschen in die Vereinigten Staaten, nach Russland und Südamerika. Der Direktorin des Deutschen Auswandererhauses in Bremerhaven geht es vor allem um die persönlichen Schicksale der Emigranten, in die sie sich bisweilen übermäßig einfühlt. So handelt ein zentraler, drei Kapitel umfassender Erzählstrang anschaulich vom Aufbruch einer Schaumburger Familie nach Illinois, den Fährnissen der Überfahrt um die Mitte des 19. Jahrhunderts und dem Aufbau einer neuen Existenz als Farmer. Zwar weist eine Fußnote darauf hin, dass keine autobiographischen Quellen erhalten sind, aber umso bereitwilliger werden die fehlenden Fakten durch Fiktionalisierung überhöht." (Hervorhebungen DK)
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