Sonntag, Oktober 07, 2007

Mit Schmackes in die Sackgasse - Wolfgang Kessler während der Bremerhavener Eine-Welt-Wochen über das heutige Wirtschaftssystem

Man darf die Probleme nicht zu Tode analysieren, sondern muss irgendwann auch zum praktischen Handeln kommen - diesen Gedanken zum Thema Klimawandel erläuterte am vergangenen Montag der Wissenschaftler und Journalist Dr. Wolfgang Kessler im Rahmen der Eine-Welt-Wochen. "Macht's besser", lautete sein Appell, den er auch in Form seines neuen Buches präsentierte.

Die Beschreibung der globalen Situation ist laut Kessler mittlerweile nicht mehr umstritten, zumindest theoretisch nicht: "Wir leben auf zu großem ökologischen Fuß", stellt er fest. Dies bedeute, dass die Menschen für ihr Leben mehr Ressourcen verbrauchen, als die Welt ohne Schädigung verkraften kann. Allerdings sei die Belastung für den Planeten sehr ungleich verteilt: Während im reicheren Norden Welt ein Vielfaches des Zuträglichen vergeudet wird, können die Menschen des armen Südens oft kaum ihr Überleben sichern.

Als Wurzel dieses Übels diagnostiziert Kessler im Einklang mit einer wachsenden Schar von Experten "unseren Traum vom immerwährenden Wachstum". Alle Mechanismen unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems drängen in diese Richtung und verstärken tagtäglich den Drang in die falsche Richtung, stellt er fest. Was aktuell Hoffnungen macht, ist die zunehmende Nachdenklichkeit, auch wenn sich niemand über die Widerstände der mächtigen Profiteure Illusionen machen darf, so Kesslers Argumentation. Schließlich benötige niemand allzuviel Phantasie für die Aussage, dass die deutsche Rate von 45 Millionen Autos für 82 Millionen Menschen nicht auf der ganzen Welt möglich ist, ohne schwerste Schädigungen zu verursachen.

"Der Traum vom globalen American Way of Life kann zum Alptraum werden", sagt Kessler und fügt hinzu: "Die Welt sitzt in der Wachstumsfalle." Nur wenn es gelinge, in dieser Sackgasse ein Wendemanöver einzuleiten, könne eine Wirtschaftsweise mit positiven Zukunftsaussichten entwickelt werden.

Im einzelnen schlägt Kessler eine Kette von fünf Schritten vor, um in der Klima- und Wirtschaftspolitik neue Orientierungen zu gewinnen:
- Anreize setzen, um Treibhausgase einzusparen, beispielsweise durch die finanzielle Belohnung eines geringen CO2-Ausstoßes und umgekehrt durch Belastungen der höheren Werte;
- Investitionen in erneuerbare Energien ermuntern;
- den Süden der Welt bei ökologisch sinnvollem Handeln unterstützen;
- die wild wuchernden Finanzmärkte mit ihrer Orientierung auf kurzfristige Renditen eingrenzen und
- die ökologische Besteuerung für den sozialen Ausgleich nutzen, nach dem Motto "Umweltschonendes Wirtschaften finanziert Gerechtigkeit".

Kessler zeigte sich durchaus optimistisch, "dass die Wirtschaft der Zukunft auch ein Leben mit Zukunft ermöglicht". Seine Aufforderung an die rund 60 Besucher der Veranstaltung des Nord-Süd-Forums: "Bleiben wir also Realisten - versuchen wir das Unmögliche." Dazu zählte er auch Kleinigkeiten, die Symbolkraft hätten, beispielsweise den Kauf fair gehandelten Kaffees.

Das gemeinsam von Wolfgang Kessler und Stephan Hebel herausgegebene Buch "Macht's besser. Die Welt verändern und das Leben genießen" erschien in der Verlagsgesellschaft der Zeitschrift Publik-Forum und kostet 13.90 Euro.

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Dienstag, Oktober 02, 2007

Eine-Welt-Woche in Bremerhaven - Umweltsenator Reinhard Loske spricht über den Umgang mit dem Klimawandel

Der Klimawandel ist in allen Köpfen und Mündern angekommen, aber das Handeln folgt bisher noch eher zögerlich. Um das zu ändern, referierte der neue Bremer Umweltsenator Dr. Reinhard Loske zur Eröffnung der Bremerhavener Eine-Welt-Wochen. Seine Botschaft: Es gibt viele Notwendigkeiten und Möglichkeiten - sie müssen nun endlich angepackt werden.

Bremerhaven hat laut Loske auf diesem Feld "unglaubliche Potenzen" zu bieten - von der Grundlagenforschung im Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) über die anwendungsorientierte Forschung in der Hochschule bis zum künftigen Lernvergnügen im Klimahaus. Exzellent seien auch die Weichenstellungen für die Nutzung der Windenergie, meinte Loske.

Wie wenig allerdings bisher das praktische Handeln des Magistrats durch die Klimaproblematik beeinflusst wurde, illustrierte Oberbürgermeister Jörg Schulz, gleichzeitig Schirmherr des Nord-Süd-Forums, in seinem Grußwort. Zwar erwähnte er AWI, Windenergie und Klimahaus, aber für weitere konkrete Weichenstellungen konnte er lediglich auf Aufträge im jetzigen Koalitionsvertrag verweisen - die Prüfung sparsamerer Autos und größerer Energieeffizienz bei der Bewirtschaftung städtischer Gebäude. Gleichwohl gestand Schulz zu, dass der Klimawandel "natürlich ein Thema für Bremerhaven" sei.

Loske ließ in seinem souverän skizzierten Bild der aktuellen Klimadiskussion keinen Zweifel daran, dass entschlosseneres Handeln längst auf der Tagesordnung steht. Und mittlerweile sei selbst den bisherigen Bremsern klar geworden, dass Umweltschutz nicht mehr allein als störender Kostenfaktor, sondern auch als ökonomische Chance zu begreifen sei. Als auffällig bezeichnete Loske allerdings den Rückstand, der in manchen Bereichen wegen des Herunterspielens der Bedeutung des Klimawandels entstanden sei, beispielsweise in der Autoindustrie oder auch bei den Architekten, wo das Thema seiner Meinung nach gnz offensichtlich "verpennt" wurde.

Die drei "E" nannte Loske als Dreh- und Angelpunkte des Handelns: Erneuerbare Energien, Energieeinsparungen und Energieeffizienz. Als Beispiel für staatliches Eingreifen verwies der Senator auf das öffentliche Beschaffungswesen. "Der Staat hat Nachfragemacht und muss eigene Akzente setzen", lautete seine Orientierung. So habe er selbst sofort veranlasst, bei den Stromlieferungen für seine Behörde dafür zu sorgen, dass künftig Ökostrom genutzt wird. Bei den Dienstwagen habe man Druck ausgeübt, indem Autos mit geringerem CO2-Ausstoß verlangt wurden.

Auch das kommunale Planungsrecht muss laut Loske genutzt werden, um das klimapolitisch Notwendige durchzusetzen. So könne der Verkauf öffentlicher Grundstücke an Voraussetzungen gebunden werden, etwa durch Anschlußzwang an eine Fernwärmeleitung oder durch die Auflage, nur Gebäude mit höchsten energetischen Standards oder mit solarthermischen Anlagen zu errichten.

Auf die zur Zeit viel propagierte Autobahn A 22 angesprochen, stellte Loske klar, dass im Bremer Koalitionsvertrag keine Aussagen darüber gemacht werden. Verkehrspolitisch sinnvoll sei deren Bau sicher nicht, zumal der Transport eines Containers auf der Straße im Vergleich zur Bahn etwa den zehnfachen CO2-Ausstoß verursache. "Das Hauptmittel zum Containertransport sollte die Bahn sein", sagte Loske. Für den Verkehrsbereich kündigte er an, dass die Vorschriften der EU in puncto Feinstaub und Lärm im kommenden Jahr umgesetzt werden müssen.

Als bedauerlich stufte Gisela Wiegel vom Nord-Süd-Forum die Tatsache ein, dass unter den knapp 50 Gästen der Veranstaltung keine Kommunalpolitiker außer den Grünen zu entdecken waren.

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