Mittwoch, Januar 12, 2011

Bremerhavener Stadttheater mit einer beeindruckenden "Tosca"-Inszenierung...

Seestadtpresse Bremerhaven - Die neue "Tosca"-Inszenierung von Gregor Horres im Bremerhavener Stadttheater sei hiermit allen Zeitgenossen mit Nachdruck ans Herz gelegt. Vielleicht bedeutet es angesichts meines musikalischen Banausentums nicht viel, aber es ist das erste Mal, dass mich diese Puccini-Oper wirklich beeindruckt und berührt hat.

Zentral ist für mich das klärende Bühnenbild, das den Kern des Bühnengeschehens glasklar vor Augen stellt - Gewalt und Sexualität, politische Unterdrückung und Kult der Unterdrücker, Staatsterrorismus und der Traum von Freiheit, Kunst und Liebe.

Das von mir erstmals als wirklich packend empfundene Geschehen um die Sängerin Floria Tosca (Miriam Gordon-Stewart mit einer wundervollen Vissi-d'arte-Arie), den Maler Mario Cavaradossi (Eduardo Aladrén und Heiko Börner im Wechsel) und den Polizeichef Scarpia (Matthias Klein) wird als durchschaubares Gesamtbild präsentiert. Unauflöslich in dieses ergreifende Gesamtkunstwerk eingeknüpft ist selbstverständlich die souveräne musikalischen Gestaltung unter der Leitung von Stephan Tetzlaff.

Die im Stück behandelte Problematik ist übrigens hoch aktuell: Es geht um einen bürokratischen Apparat in Aktion, als Basis für zynische Selbstinszenierungen und ohne jegliches Verständnis für das, was menschliches Leben wirklich lebenswert macht. Da muss niemand lange suchen, um so etwas in allen Abstufungen des Schreckens in unserer Gegenwart zu entdecken.

Die nächste Aufführung von "Tosca" im Stadttheater Bremerhaven gibt es am 22. Januar 2011. Der Spielplan ist hier anzuklicken.

Labels: ,

Mittwoch, Oktober 27, 2010

Stadttheater Bremerhaven - Musicalpremiere von "On the Town" war ein peinlicher Schuss in den Ofen...

Seestadtpresse Bremerhaven - Im Theater kann es auch unter einem neuen Intendanten nicht immer nur Erfolgsmeldungen geben. 

Was das Bremerhavener Stadttheater mit seinen ersten Aufführungen in der neuen Spielzeit auf die Bühne gebracht hat, war eine Serie von drei herausragenden Krachern. Das  am vergangenen Sonnabend (23. Oktober 2010) herausgekommene Musical von Leonard Bernstein "On the Town" war dagegen leider ein kräftiger Schuss in den Ofen.

Auch wenn die einstimmig in der Nordsee-Zeitung und im Weser-Kurier erschienene Kritik von einer "gelungenen Premiere", von "wunderbaren Bühnenbildern" und von Begeisterung "bis in die kleinste Nebenrolle" schwärmt, erlebte ich über lange Strecken Langeweile, dürftige Bilder und vor allem Peinlichkeiten.

Zwar gesteht auch der NZ- und WK-Berichterstatter "kleine Längen, vor allem in den Dialogen" zu.

Aber das ist nun doch allzu stark untertrieben: Die Dialoge waren über große Strecken so peinlich dämlich, dass auch die zaghaften Versuche zur ironischen Distanzierung nicht mehr halfen.

Hinzu kommt, dass die ganze Geschichte der drei naiven kleinen Landeier in der großen Stadt New York heute nichts mehr auf einer Bühne zu suchen hat, wenn man sie nicht vollständig auseinander nimmt, um wenigstens die teilweise schöne Musik zu retten. Wenn die unmöglichen Situationen wenigstens noch auf halbwegs komische Weise präsentiert worden wären, könnte ich das Ganze mit einem Achselzucken abtun.

Aber das alles wirkte in meinen Augen absolut nicht komisch, sondern nur abgrundtief lächerlich.

Nun ja, vielleicht finden sich Leute, denen so etwas gefällt.

Ich  gehöre jedenfalls nicht dazu.

Labels: ,

Dienstag, September 21, 2010

Bremerhaven: Hakelt es im Zusammenspiel von Nordsee-Zeitung und Stadttheater? - Änderungen in der Redaktion verursachen offensichtlich Probleme...

Seestadtpresse Bremerhaven - Der eine oder die andere hat es vielleicht noch nicht bewusst registriert, aber es ist eine Tatsache: Die Nordsee-Zeitung hat bereits vor längerer Zeit ihre Kulturredaktion abgeschafft. 

Statt dessen werkeln an einem "News-Desk" zufällig zusammengewürfelte "Experten für alles" an der Zeitungsgestaltung herum und erledigen dabei in wechselnden Zuständigkeiten auch die Aufgaben, die zuvor in personeller Kontinuität von der Kulturredaktion bearbeitet wurden.

Die Folgen dieser Umgestaltung der Redaktion, die letzten Endes keinem anderen Ziel als der Einsparung dient, sind gut erkennbar: Die Kulturberichterstattung ist allerlei zufälligen Winden und Strömungen ausgesetzt, monieren so manche Kritiker.

Von einer halbwegs zuverlässigen Aufmerksamkeit der Nordsee-Zeitung für das kulturelle Geschehen der Stadt kann im Moment keine Rede mehr sein.

Ein Beispiel dafür liefert das Stadttheater. Nach Jahren einer immer enger und unproduktiver werdenden Routine findet dort unter dem neuen Intendanten eine bemerkenswerte Erneuerung statt - und die Nordsee-Zeitung bildet davon kaum etwas ab.

Seit dieser Spielzeit gibt es beispielsweise öffentliche Proben sowie Einführungen eine halbe Stunde vor Beginn der Aufführungen im Großen Haus im Oberen Foyer bzw. für das Kleine Haus im Restaurant "da capo".

Die Theaterpädagogik des Stadttheaters entwickelt neue Angebote und verkündet: "Wir verstehen das Theater als offenes Haus, als Ort der Begegnung und des Austauschs. Wir freuen uns über Fragen, Kritik und Lob. Und sind furchtbar neugierig auf die jungen, nicht mehr ganz so jungen und alten Bremerhavener und ihre Gedanken und Ideen." Es gibt spezielle Angebote für die jungen Leute.

Die entscheidende Frage: Wo bleibt denn da die Nordsee-Zeitung, die diese Neuigkeiten in ihrer Funktion als Monopolzeitung engagiert und konsequent in die Öffentlichkeit tragen müsste?

Wenn der jetzige Eindruck nicht täuscht, kann festgehalten werden: Das einfallsreiche und energiegeladene neue Team des Stadttheaters hat etwas Besseres verdient als eine Lokalzeitung im gegenwärtigen Zustand und Zuschnitt der Nordsee-Zeitung.

Labels: , ,

Sonntag, September 19, 2010

Stadttheater Bremerhaven entwickelt sich zu einem Ort spannender und bildmächtiger Inszenierungen - "König Ödipus" von Sophokles...

Seestadtpresse Bremerhaven - Auch die zweite Premiere der neuen Spielzeit im Stadttheater Bremerhaven war ein bildmächtiger Erfolg.

Ebenso wie die Britten-Oper "Peter Grimes" erwies sich "König Ödipus" von Sophokles als eine mutige und anspruchsvolle Entscheidung, die eine herausragende Inszenierung (Thomas Oliver Niehaus) auf die Bühne des Stadttheaters brachte.

Wieder einmal war es das Bühnenbild (Geelke Gaycken), das für starke Reize sorgte und die traurige Lage in einer von Seuchen heimgesuchten Stadt vor Augen führte, und zwar ohne peinliche kunsthandwerkliche Zutaten. Hier wurde die Essenz der Situation aus dem Theaterstück heraus destilliert und in ein klares Bild umgesetzt. Etwas herausgehoben aus dem allgemeinen Elend spielte sich das Leben am Königshof ab.

Das Sophokles-Stück ist inhaltlich durchaus ein harter Brocken. Was abseits der schicksalhaften Verstrickungen für mich heute an erster Stelle steht, ist die Beleuchtung der Frage: Was hat mehr Bedeutung - die schöne Fassade für eine Persönlichkeit, das Aussehen und die Wirkung nach außen oder die Wahrheit über diese Persönlichkeit selbst?

Um diese Frage von Schein und Sein kreist der "König Ödipus" von Sophokles in der Bremerhavener Inszenierung. Da ist der wegen seiner früheren Rettung der Stadt Theben allgemein gefeierte König, der unnachgiebig nach den Ursachen für das aktuelle Elend sucht und entdecken muss, dass er selbst diese Ursache ist.

Ödipus sträubt sich zunächst mit Macht und Wut gegen diese Erkenntnis, weil er eine Intrige und Verschwörung argwöhnt. Aber das Abwehren hilft ihm nicht, weil seine Bereitschaft zum aufmerksamen Zuhören und rücksichtslosen Erkennen immer noch zu stark bleibt. Der heutige Zuschauer spürt: Mit einer solchen charaktervollen und ernsthaft suchenden Haltung könnte einer heute nie erfolgreicher Politiker sein...

König Ödipus sei einer, der "sich aus dem Reich des Scheins schonungslos herauszerrt in ein Reich des Lichts", formuliert Ernst Buschor - eine Charakterisierung, die bis heute in krassem Gegensatz zum sonstigen Personal in Politik und Wirtschaft steht.

Denn das Reich des schönen Scheins und des blinden Vergnügens besaß stets mehr Durchschlagskraft im Alltag der Menschen als die kompromisslose Suche nach der Wahrheit, von der Bereitschaft zum Tragen auch der bittersten Konsequenzen aus den gewonnenen Erkenntnissen ganz zu schweigen. 

Was das Stadttheater Bremerhaven mit dieser Inszenierung zustande bringt, ist ein spannender anderthalbstündiger Denkanstoß, der wegen der Schwierigkeiten des Textes (der zudem gelegentlich etwas leise und undeutlich über die Rampe kommt) zu Hause vielleicht noch ein wenig Nacharbeit und Einordnung verlangt.

Erneut ein starkes Stück im erneuerten Stadttheater Bremerhaven!

Wer Interesse an einem Vorbericht von Burkhard Scherer zur Bremerhavener Ödipus-Inszenierung im Nordwestradio am 17. September 2010 anhören möchte, kann hier klicken.

Labels: ,

Sonntag, September 12, 2010

Stadttheater Bremerhaven mit grandiosem Start in neue Spielzeit und neue Intendanz - Starke "Peter-Grimes"-Inszenierung von Petra Luisa Meyer...

Seestadtpresse Bremerhaven - Mit einem geradezu unglaublichen Assoziations- und Bilderreichtum bringt Petra Luisa Meyer eine spannende und emotional berührende Inszenierung von Benjamin Brittens Oper "Peter Grimes" auf die Bühne des Stadttheaters Bremerhaven.

Bühnenbild und Ausstattung von Okarina Peter und Timo Dentler spielen dabei eine prägende Rolle. Das engagierte Ensemble und insbesondere der einfallsreich geführte Chor markiert (hoffentlich) einen Wendepunkt des hiesigen Theaterlebens.

Nach der Premiere am 11. September 2010 gab es langen Beifall eines begeisterten Publikums. Der neue Intendant Ulrich Mokrusch sorgte mit dieser mutigen Wahl für Aufbruchstimmung am Stadttheater Bremerhaven, das in den vergangenen Jahren immer stärker in den lähmenden Alltag eines mittelmäßigen Stadttheaters abgerutscht war.

Selbstverständlich ist Brittens Oper (im Opernführer als "eine der meistaufgeführten Opern der gemäßigte Moderne" charakterisiert) für musikalische Barbaren wie mich eine echte Herausforderung. Aber im Zusammenspiel mit den Bildern auf der Bühne entsteht ein großartiges Kunstwerk, das inhaltlich klar und differenziert ist und die Kraft der Musik zur Erhellung der Aussage und zur Erhöhung der Gesamtwirkung nutzt.

Interessant ist übrigens auch die inhaltliche Botschaft der Oper: Denn Peter Grimes versucht in einer bigotten religiösen Gemeinschaft wie ein Getriebener geschäftlich erfolgreich zu sein und geht dabei konsequent (und leidend) über Leichen. Die religiösen Spießer in seinem Umfeld halten sich wegen ihres Glaubens für moralisch erhaben, obwohl die Moral ihres eigenen Lebens von moralischen Blindstellen nur so strotzt.

Wer zu dieser Inszenierung ins Bremerhavener Stadttheater geht, wird mit einem emotionalen und intellektuellen Abenteuer von herausragender Qualität belohnt, meine ich als Dilettant der Theaterkritik.

Also: Unbedingt hingehen!

Labels: ,