Dienstag, Januar 15, 2008

Der Bremerhavener Stadtteil Lehe erweckt beim neuen katholischen Priester ein "Bronx-Gefühl" - ähnlich hatte es auch der Spiegel berichtet

Überraschenderweise bestätigt die Nordsee-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 15. Januar 2008 den kritischen Eindruck der Wochenzeitschrift "Der Spiegel" über den Bremerhavener Stadtteil Lehe. Während der "Spiegel" von einem "tristen Sozialghetto" gesprochen hatte, zitiert die Nordsee-Zeitung den neuen katholischen Priester mit der Bemerkung, er habe in Lehe "so ein Bronx-Gefühl".

Bei seinen ersten Besuchen in Lehe bekam er nicht nur einen Schrecken, "in welch drastischem Ton die Leute reden", sondern erlebte offensichtlich auch, wie sie "direkt neben mir eine Mülltonne anzünden". Diese Erfahrungen im spiegeligen "Sozialghetto" brachten ihn dann auf das " "Bronx-Gefühl" mitten in Lehe.

Gleichzeitig macht sich der Priester ganz ähnlich wie der Spiegel-Berichterstatter Sorgen, dass "all das schöne neu Gebaute für den Tourismus die Leute hier gar nicht erreicht" und "dass die sozial Schwächeren trotzdem abgehängt werden".

Wer das liest, bekommt den Eindruck, dass die Problematisierungen des "Spiegel" doch nicht so einfach von der Hand zu weisen sind, wie in den vergangenen Tagen häufiger behauptet wurde...

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Samstag, November 03, 2007

Die vielgelobte Bremerhavener "Aktion Rückenwind für Leher Kinder" ist in Gefahr

Mit Worten viel gelobt, mit Taten dagegen von der Politik im Stich gelassen - die Aktion "Rückenwind für Leher Kinder" steht möglicherweise kurz vor dem Aus. Wenn Ende November alle Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung zu Ende gehen, "droht der totale Zusammenbruch", heißt es in einer Erklärung der Akteure.

Nach dem Start vor nunmehr vier Jahren heimsten die aktiven arbeitslosen und berenteten Frauen und Männer viel Lob und Anerkennung ein, weil sie für mehrere Dutzend Kinder aus dem Stadtteil Lehe eine tägliche Anlaufstelle geschaffen hatten. Mittlerweile gibt es dreimal wöchentlich eine warme Mahlzeit, die vom "Kinder-Kochclub" unter Anleitung eines Kochs zubereitet wird. Für die Kinder ist die Einrichtung an der Goethestraße 35 damit ein sicherer Hafen, der ihnen ein ganzes Bündel unterschiedlicher Angebote macht. Außerdem finden sie hier nicht nur eine offene Tür, sondern stets auch ein offenes Ohr.

"Rückenwind ist ein Fixpunkt in ihrem Leben, bei dem sie Verlässlichkeit, Zugewandtheit und Kontinuität erfahren", stellten die Aktiven des Vereins fest. Mit Hilfe zahlreicher Spenden gelang eine Stabilisierung des Angebots, und Rückenwind wurde sogar zum Arbeitgeber, beispielsweise für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Ein-Euro-Jobber. Aus Spenden konnte ein zusätzlicher Arbeitsplatz geschaffen werden, der allerdings befristet werden musste.

Aber auch ehrenamtliches Engagement kann nur funktionieren, wenn die Strukturen haltbar sind. "Freiwillig und ehrenamtlich kann nur derjenige arbeiten, der ein existenzsicherndes Auskommen hat", stellen die Rückenwind-Aktiven fest. Ist dies nicht gegeben, fährt ein solches Projekt gegen die Wand, weil guter Wille allein nicht ausreicht - es muss auch ein sicheres organisatorisches Gerüst dafür geben und bewährte Mitmacher dürfen nicht aus formalen Gründen nach Ablauf der geförderten Zeit wieder abgeschoben werden.

Im Hintergrund der Misere bei kleinen Vereinen wie Rückenwind steht der Umgang mit der finanziellen Förderung von ABM und Arbeitsgelegenheiten in Bremerhaven. Wie die Zahlen zeigen, entfallen von den 1270 geförderten Arbeitsplätzen gerade einmal 21 (nicht 44, wie berichtet) auf die kleineren Vereine, die im Bremerhavener Topf organisiert sind. Der Löwenanteil wird von großen Einrichtungen wie BBU und AFZ in Empfang genommen.

Trotz des "harten Gegenwinds für Rückenwind" wollen die Aktiven noch nicht die Flinte ins Korn werfen, sondern trommeln lautstark für ihre Arbeit mit den Leher Kindern. Das in den vergangenen Jahren aufgebaute Team müsse sich auf finanzielle Unterstützung verlassen können, lautet ihr Appell an Politik und Verwaltung.

Wer Rückenwind unterstützen möchte, kann sich unter der Telefonnummer 0471-3917599 melden. Das Unterstützungskonto bei der Weserbank (BLZ 29220200) hat die Nummer 32870700.

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Mittwoch, Oktober 10, 2007

So sieht's aus in Deutschland - ein paar Zahlenbeispiele von Joachim Jahnke

Wer einmal an einigen ausgewählten Beispielen sehen will, in welche Richtung gegenwärtig der soziale Zug der Zeit in Deutschland abgeht, sollte eine Zusammenstellung von Joachim Jahnke ins Auge fassen.

Da kann der Zeitgenosse oder die Zeitgenossin schon ins Grübeln kommen...

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Montag, Juli 23, 2007

Bremerhaven baut auf Pump eine Riesen-City, während wachsende soziale Probleme in den Stadtteilen oft unbeachtet bleiben - ein Beispiel aus Lehe...


Rücksichtslose Mietnomaden könnten das soziale Gefüge ganzer Quartiere untergraben. Mit diesem Alarmruf macht das Stadtplanungsamt auf eine Art "innerer Zersetzung" aufmerksam, die bisher unbemerkt geblieben sei. Anstoß zu dieser Äußerung war der Antrag von Eigentümern, ihr Haus Rickmersstraße 32 im Stadtteil Lehe abreißen zu lassen, weil es von Mietnomaden unbewohnbar gemacht wurde.

Vandalismus in leerstehenden Häusern bringe stets die Gefahr des Kippens ganzer Nachbarschaften mit sich, erläutert Baustadtrat Volker Holm (CDU). "Deshalb haben wir uns diesen Strukturfonds ausgedacht, der Abrisse von Häusern auf öffentliche Kosten ermöglicht." Leider sei die Resonanz nicht so groß gewesen wie ursprünglich erhofft. Als einziges größeres Beispiel für das Projekt im Rahmen des Bundesprogramms Stadtumbau West nennt Holm den Abriss des Komplexes "Schiefhausen".

Was in den kommenden Wochen noch als letztes Element des Programms erledigt wird, war für die Eigentümer eine wahre Horrorgeschichte. Sie hatten das Haus mit sieben Wohnungen und Ladenräumen in der Rickmersstraße erworben und ihr gesamtes Kapital in das Vorhaben gesteckt, berichtet die Eigentümerin Ingrid Ahrends. Dann seien Mietnomaden in eine der Wohnungen eingezogen und hätten mit Lärmereienn, Drohungen und Gewalttätigkeiten die anderen Mieter in Panik versetzt.

"Wir hatten ständig die Polizei im Haus, aber das half alles nichts", sagt sie. Innerhalb von etwa anderthalb Jahren seien alle übrigen Mietparteien vor dem Terror geflüchtet. Die Mietnomaden drangen dann in deren Räumlichkeiten ein und plünderten die Einrichtung. Installationen, Thermen, Rohre und Kabel - alles sei herausgerissen und zerstört worden, bevor die Mietnomaden selbst verschwanden, berichtet die Eigentümerin.

"Wir haben lange versucht, gegen die Randalierer vorzugehen, aber es war vergeblich", berichtet die Frau. "Jetzt ist uns nichts anderes übriggeblieben, als den Antrag auf Abriss zu stellen." Und obwohl bald nur noch das bloße Grundstück von ihrer einstigen Wertanlage übrig sein wird, müssten noch restliche Kredite abbezahlt werden. Ihre Bilanz: "Wir sitzen auf einem Schuldenberg." Und ob das leer geräumte Grundstück in einer solchen Lage überhaupt zu verkaufen ist, gilt durchaus als zweifelhaft.

Baustadtrat Volker Holm sieht aus der Sicht des Magistrats keine Möglichkeiten, gegen Entwicklungen dieser Art tätig zu werden. Seiner Meinung nach hat der juristische Schutz der Mieter solche Ausmaße angenommen, dass "Eigentümerrechte zerstört werden". Dagegen steht allerdings die Darstellung des städtischen Planungsamts. Das Amt hält in einigen Stadtquartieren ein koordiniertes Vorgehen gegen absolut rücksichtslose Mieter mittlerweile für dringend geboten.

"Das sind längst keine Einzelfälle mehr", betont Norbert Friedrich, zuständig für Bebauungsplanung. Insbesondere durch das verhängnisvolle Wirken des Mietertypus "arbeitslos, männlich, mittleres Alter, alleinstehend und mit Hund" sei das innere Gefüge mancher Quartiere in geradezu bedrohlicher Weise aus dem Lot geraten. "Da beobachten wir eine massive Zunahme der Probleme", stellt er fest, "und dagegen kann man längst nicht mehr ausschließlich baulich angehen."

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