Mit dem Krieg im Gaza-Streifen marschiert Israel mit hohem Tempo weiter in die Sackgasse.
Niemand kann die palästinensischen Qassam-Raketen als wünschenswerte Reaktion auf die Demütigung und Unterdrückung durch Israel einstufen, aber es bleibt die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Mehr als 300 Tote und viele hundert Verletzte sind nach wenigen Tagen durch israelische Luftangriffe zum allergrößten Teil unter der Zivilbevölkerung zu beklagen, während die Quassam-Raketen nur einzelne Menschen getötet und verletzt haben.
Das bleibt schlimm genug und darf im Grundsatz nicht gegeneinander aufgerechnet werden.
Aber es ist ebenso falsch, nur die palästinensischen Raketen zu kritisieren und die gezielten Mordaktionen der Israelis und ihre Besatzungspolitik mit all den katastrophalen Folgen für die Bevölkerung auszublenden. Kritische Journalisten machen daher klar, dass die israelische Politik einem Irrglauben unterliegt, wenn sie weiterhin allein auf militärische Mittel setzt.
"Der Überraschungsangriff Operation 'Gegossenes Blei' am helllichten Samstag, als Kinder in der Schule, Frauen auf dem Markt und Hamas-Polizisten auf einer Vereidigungszeremonie getroffen wurden, endet mit der höchsten Opferzahl an einem einzigen Tag seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967",
schreibt Thorsten Schmitz in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung von heute (28. Dezember 2008) unter der Überschrift "Israels Irrglaube".
Seine Feststellung: "Das Militär soll richten, was die Politik nicht schafft: ruhe an der Palästinenser-Front zu stiften. Doch das wird misslingen."
Heute (29. Dezember 2008) schreibt der israelische Journalist
Tom Segev in der Tageszeitung Haaretz in der Online-Ausgabe, es sei fundamental falsch, wenn Isreal der Hamas "eine Lektion erteilen" wolle. Ohne einen ernsthaften Dialog mit den Palästinensern und ihrer gewählten Führung werde es keine Lösung geben.
Segev kritisiert ausdrücklich die
Einseitigkeit der isrealischen Öffentlichkeit: "All of Israel's wars have been based on yet another assumption that has been with us from the start: that we are only defending ourselves. 'Half a million Israelis are under fire', screamed the banner headline of Sunday's Yedioth Ahronoth - just as if the Gaza Strip had not been subjected to a lengthy siege that destroyed an entire generation's chances of living lives worth living."
Ebenfalls in der aktuellen Haaretz-Ausgabe warnt
Amira Hass vor den Schlägen, die hauptsächlich die Zivilbevölkerung treffen. Überschrift des Textes ist ein Zitat:
Der Gaza-Militärschlag richtet sich nicht gegen Hamas, sondern gegen alle Palästinenser.Zur deprimierenden Lage in der israelischen Innenpolitik, die in immer stärkerem Maße von rassistischen Siedlern bestimmt wird, gibt
Uri Avnery einen erhellenden Überblick. Avnery warnt ausdrücklich vor Benjamin Netanyahu: "
Netanyahu... bringt eine extrem rechte Mannschaft mit sich. Diese schließt faschistische Elemente mit ein, die man nicht ignorieren sollte. Es besteht die Gefahr, dass er eine Regierung aufstellt, die „extrem-rechte ( d.h. geradezu faschistische) Parteien, zusätzlich zur rechts-orthodoxen Shaspartei, mit einschließen würde.
Sein Sieg würde der ganzen Welt signalisieren, dass Israel den Weg in den Abgrund gewählt hat." (Hervorhebungen DK).
In der amerikanischen Zeitschrift The Nation (28. Dezember 2008) schreibt Katrina vanden Heuvel, dass die israelischen Luftangriffe auf den Gaza-Streifen eine ernste und massive Verletzung des internationalen humanitären Rechts in der Definition der Genfer Konvention darstelle ("severe and massive violations of international humanitarian law defined in the Geneva Conventions"). Der Text besteht aus einer Stellungnahme von Professor Richard Falk, United Nations Special Rapporteur for Human Rights in the Occupied Territories.
Danach seien kollektive Bestrafungen, Angriffe auf die Zivilbevölkerung und unangemessene militärische Reaktionen untersagt.
Interessante aktuelle Informationen mit etwas stärkerer Berücksichtigung der arabischen Sichtweise, aber ohne krasse Blindstellen bietet die Webseite von Al-Dschasira, englisch Al-Jazeera. Teilweise gibt es Berichte von Journalisten direkt aus dem Gaza-Streifen.
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