Der Bremerhavener Haushalt befindet sich in einer katastrophalen Lage. Noch in diesem Jahr wird allein die kommunale Verschuldung die gigantische Zahl von tausend Millionen Euro überschreiten -für eine Gerade-noch-Großstadt mit 116000 Einwohnern wahrlich keine Kleinigkeit. Zwar wird in der Kommunalpolitik ständig von Einsparungen geredet, aber das praktische Handeln bleibt davon oft unberührt - zumindest in speziellen Bereichen.
Wenn Stadtkämmerer Michael Teiser noch mehr Spaß am Aufhellen von Widersprüchen hätte, könnte er beispielsweise zur Erhellung der aktuellen Lage zwei Entwürfe für den Doppelhaushalt 2008 / 2009 vorlegen. Der eine würde auf die üblich gewordene Weise zusammengestellt, also mit all den Versteckspielereien, die den Haushalt nach außen noch einigermaßen gut aussehen lassen, etwa durch das Verbergen von Schulden bei den ausgegliederten Gesellschaften der Stadt.
Der andere Entwurf könnte zur Abwechslung einmal vollkommen ehrlich und ungeschönt sein. Es wäre also ein Entwurf, in dem beispielsweise Bilanz gezogen würde über die riesigen öffentlichen Kosten der neuen Havenwelten hinter dem Weserdeich. Gegenwärtig ist zu hören, dass sich dort trotz der vielen geflossenen Millionen ein weiterer Fehlbetrag in der Größenordnung von vielleicht 20 Millionen Euro auftun könnte. Oberbürgermeister Jörg Schulz weigert sich nach diesen Informationen hartnäckig, dem Magistrat darüber präzise Auskunft zu geben. Gäbe es einen ehrlichen Haushaltsentwurf, müsste dieser Fehlbetrag darin auftauchen und dürfte nicht bei einer der Gesellschaften wie BIS oder BEAN versteckt werden.
Im Jahre 2006 betrug die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung auf der Ebene der deutschen Gemeinden 1069 Euro, bei den kreisfreien Städten zwischen 100000 und 200000 Einwohnern durchschnittlich 1049 Euro. Die kommunale Pro-Kopf-Verschuldung in Bremerhaven wurde in den Eckewerten der Kämmerei für 2008 mit 8741 Euro beziffert und soll sich bis 2011 auf 10429 Euro erhöhen - im Bundesvergleich ebenso ein Spitzenwert wie auf der anderen Seite die große Zahl der armen Menschen in der Stadt.
Da das Bundesland Bremen unter strenger Kontrolle steht, muss Bremerhaven in seinem Haushalt bestimmte Auflagen erfüllen. Das bedeutet, dass die Finanzierung der städtischen Gesellschaften in einer Größenordnung von mehr als 50 Millionen Euro pro Jahr nicht mehr als Investitionen im Haushalt ausgewiesen werden dürfen, um die verfassungsrechtliche Optik zu verbessern. Mit Hauhaltswahrheit hat das nicht viel zu tun.
Gleichwohl fordern Kreise der Bremerhavener Wirtschaft einschließlich des Oberbürgermeister Jörg Schulz die ungebrochene Fortsetzung der bisherigen Art der großzügigen Wirtschaftsförderung ohne Rücksicht auf die Folgen für die öffentlichen Haushalte. Die Kritik an Wirtschaftssenator Nagel gehört dazu, dem die haushaltspolitisch notwendige Umstellung der Wirtschaftsförderung auf Darlehensbasis vorgeworfen wird.
Ausdrücklich angesprochen wurde dieser Orientierungsstreit, der nicht nur innerhalb der SPD läuft, während des jüngsten SPD-Parteitags am vergangenen Dienstag. "Wir müssen die Spaltung in unserer Stadt aufheben", formulierte der wiedergewählte zweite Vorsitzende Martin Günthner. Er sprach von einem Gegensatz zwischen den "Profiteuren" der positiven wirtschaftlichen Entwicklung, beispielsweise in der Logistikbranche und in den Havenwelten, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite stünden die Verlierer, etwa die armen Kinder und die Arbeitslosen. Deshalb könne und dürfe die Stadt nicht mehr im bisherigen Ausmaß in die Entwicklung heimischer Wirtschaftszentren investieren, sondern müsse "wieder mehr auf Sozialpolitik setzen", betonte Günthner.
Diese kurze Bemerkung illustriert einen Richtungsstreit, der auch den Auseinandersetzungen über die Kaufland-Ansiedlung in Lehe mit eine Rolle spielte und der jetzt im Zusammenhang mit dem städtischen Haushalt ausgetragen wird. Irgendwelche Spielräume für solche Entscheidungen sind tatsächlich nur noch durch haushaltstechnische Tricksereien zu eröffnen, und da drängt sich immer mehr die Frage auf, wofür diese Spielräume genutzt werden sollen - für die bisherigen Profiteure oder die bisherigen Verlierer.
Wenn die Kämmerei wollte, könnte sie diese Problematik ohne Schwierigkeiten durch einen zweiten, ehrlichen Haushaltsentwurf in den Blickpunkt rücken - wie gesagt, falls Stadtkämmerer Teiser tatsächlich noch mehr Spaß am Aufhellen von Widersprüchen haben sollte.
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